Wie die Alliierten 1940 den Krieg nach Skandinavien trugen
„Um 11 ging ich ins Kabinett, um dort Fragen unserer Intervention in Skandinavien zu besprechen. Wir kamen überein, auf jeden Fall in Norwegen und Schweden vorstellig zu werden, wie es die Franzosen vorgeschlagen haben; aber wir haben entschieden, noch weiter zu gehen und den ‚Krieg nach Skandinavien zu tragen‘.“
Alexander Cadogan, Staatssekretär im britischen Außenministerium, Notiz am 22. Dezember 1939
Aus dem Buch:
„Führt man sich die Abfolge der Ereignisse seit 1938 bis zum April 1940 noch einmal vor Augen, dann wird deutlich, in welchem Umfang es die deutschen Kriegsgegner waren, die frühzeitig an eine Ausweitung des kommenden europäischen Krieges nach Skandinavien dachten und sie konkret vorbereiteten, noch bevor er ausgebrochen war. Der Krieg gegen Deutschland sollte gewissermaßen zu allerletzt auf deutschem Territorium und direkt gegen deutsche Streitkräfte geführt werden. Von Kampfhandlungen in Skandinavien, in Südosteuropa und phasenweise auch im Kaukasus – also sämtlich in neutralen Ländern – versprachen sich die Westmächte entscheidende Erfolge gegen das wirtschaftlich anfällige Deutschland. Als treibende Kraft hinter den politisch-militärischen Plänen Großbritanniens werden in der Tat „Churchill und die Admiralität“ erkennbar, in deren Umfeld manche den Krieg „um jeden Preis“ wollten, ihn seit Frühjahr 1939 im Detail planten und deren Äußerungen keinen Zweifel daran ließen, daß er zu einem radikalen Ende geführt werden sollte.
Bemerkenswert ist die in diesen Kreisen offenbar allgemein geteilte Einschätzung, sich bei der Umsetzung dieser Absichten direkt oder indirekt sowjetischer Unterstützung bedienen zu können. …
Der sowjetische Angriff auf Finnland schien diesem Optimismus recht zu geben. Er erweiterte den Krieg ohne jede Not und ohne jede finnische Provokation auf ein Feld, das für die deutsche Kriegswirtschaft wichtig war und schädigte sie vom ersten Tag an indirekt. Zugleich lieferte der sowjetische Angriff den erwünschten Vorwand für eine westalliierte Landung in Norwegen und Schweden und damit die Möglichkeit für weitere kriegswirtschaftliche Erfolge und auch direkte Angriffe von Schweden aus auf Deutschland, wie sie etwa von Churchill gefordert wurden. Stalin kam Churchill damit entgegen. Sicher geschah das mit dem Hintergedanken, nach dem mit Deutschland geschlossenen Nichtangriffspakt nun die Westmächte „aufzuhetzen“, wie er der Komintern erläuterte. Aber möglicherweise wurde dieser Gedanke aus einer sicheren Informationslage heraus umgesetzt, was man in London wünschte und wie daher die dortige Kriegspartei am besten aufzuhetzen war. Man kann sagen, daß Churchill in den Wochen des Dezember 1939 und Januar 1940 alles in seiner Macht stehende getan hat, um den Landungsbefehl im alliierten Kriegsrat und seine Umsetzung durchzusetzen. Der Beschluß für die ‚Operation Stratford‘ erging schließlich am 5. Februar 1940 – daß sich die Umsetzung weiter verzögerte, lag nicht an Churchill.
Man kann auch sagen, daß alle deutschen Maßnahmen sowie die Planungen für die Landung in Norwegen zeitlich deutlich nach den alliierten Planungen lagen und eindeutig eine Reaktion auf diese Planungen darstellten. Die Ausarbeitung von detaillierten deutschen Landungsplänen wurde erst am 21. Februar 1940 befohlen und aufgrund von Kenntnissen über die britisch-französischen Schritte. Auch das „Unternehmen Weserübung“ war damit eindeutig ein „Präventivschlag“. Es gehört in die Kette jener militärischen Aktionen, mit denen die deutsche Regierung den alliierten Kriegsausweitungsplänen in den Jahren bis 1941 einerseits erfolgreich zuvor-, andererseits aber unvermeidlich auch entgegenkam.
Trotz militärischer deutscher Erfolge weitete sich der Krieg letztlich so lange aus, bis die deutsche militärische Leistungsfähigkeit überschritten war. Die militärischen Folgen in Form von Verlusten und Besatzungsaufwand waren enorm, nicht zuletzt, weil es den Alliierten gelang, die selbst betriebene Kriegsausweitung öffentlich als deutsche Überfallstrategie darzustellen, waren auch die politischen Belastungen erheblich. Schließlich traten diese Umstände auch hinter den negativen Eindruck zurück, den die deutsche Besatzungspolitik machte. … Im Fall Norwegens läßt sich in jedem Fall die Einschätzung des norwegischen Botschafters in Washington am Invasionsmorgen bestätigen: Die Alliierten brachten den Krieg nach Norwegen.