707. Infanteriedivision

Wie politisierte Forschung einen Wehrmachtsverband falsch beschuldigte.

Aus dem Buch:

Die Täter feiern sich – Unfreiwillige Selbstbezichtigungen der NS-Stellen

Geben wir an dieser Stelle eine Interpretation, die alle Angaben der Beteiligten berücksichtigt. Es unterstand dem in Riga residierenden HSSPF Jeckeln auch der „SSPF Weißruthenien“, der ebenfalls in – Minsk stationiert war. Es ist ohne weiteres möglich, daß der Angeklagte Lechthaler in Minsk „täglich“ von einem hohen Offizier, dessen Namen er konsequent mit Hartmann angab, in der dort von Carl Zenner[1] kommandierten Dienststelle des SSPF, seine Befehle erhalten hat. Als das Gericht in seinem Urteil gegen Lechthaler behauptete, keine „tatsächlichen Anhaltspunkte“ für eine Befehlskette gefunden zu haben, die über Zenner gelaufen sei und zum Massenmord von Sluzk führte, da ignorierte es einige wesentliche der ihm vorliegenden Informationen. Wo die Morde von Sluzk begannen, geht unzweideutig aus dem Schreiben des Generalkommissars für Weißruthenien, Kube, an den „Reichskommissar für das Ostland“ Lohse hervor. Es hat auch dem Gericht vorgelegen, ohne daß die darin enthaltene schwere Selbstbezichtigung und der Verweis auf die Zuständigkeit berücksichtigt worden wären:

„Ich habe mit dem zuständigen (sic) SS-Brigadeführer und Generalmajor der Schutzpolizei, Zenner,  M.d.R., die Sluzker Judenaktion seit etwa drei Wochen besprochen (sic) und darauf hingewiesen, daß die Handwerker unter allen Umständen verschont werden müßten, und daß vor der Aktion mit dem zuständigen Gebietskommissar Fühlung genommen werden müsse. Vor allen Dingen müsse alles vermieden werden, um das Ansehen des deutschen Reiches und seiner Organe vor der weißruthenischen Bevölkerung herabzusetzen.“[2]

Aus diesen Zeilen geht hervor, daß die Morde von Sluzk nicht auf die Initiative der Wehrmacht und des Divisionskommandeurs Bechtolsheim zurückgingen, sondern von den üblichen Stellen bei SS und Polizei beschlossen wurden, und dies sowohl dem Zeitpunkt nach, als auch nach geplantem Umfang. Es waren die Funktionäre Kube und Zenner, die den Tod der Juden in Weißrussland planten und abschnittsweise befohlen haben, eine flächendeckende Strategie, an der die Wehrmachtsstellen vor Ort keinen Anteil hatten, wie es auch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München später feststellte.“


[1] Carl Zenner (1899-1969), NSDAP-Mitglied seit 1925, SS seit 1932, Reichstagsmitglied 1932-45; Juli 1941-Juli 1942 SSPF in Minsk. Wegen Beteiligung am Novemberprogrom 1938 von einem alliierten Gericht 1947 zu fünf Jahren Haft verurteilt. 1950 entlassen. Wegen der im Andrian-Tagebuch erwähnten Erschießung der Juden des Ghettos von Minsk im November 1941 wurde Zenner 1961 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Im Prozeß gegen Lechthaler war er nur Zeuge. Vgl. die biographischen Angaben in der Anklageschrift des Landgerichts Koblenz, 5.12.1960, AZ 9 Js 998/56.

[2] Kube an Lohse, 1. November 1941, hier zit. n. IMT, XXVII, S. 3. Im Gerichtsurteil vollständig zitiert, in: Rüter, Strafurteile, S. 807 f.