Legenden, Gerüchte, Vorurteile

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Ein Kommentar zur zweiten ‚Wehrmachtsausstellung‘ des Hamburger Instituts für Sozialforschung

Es gehört bekanntlich zu den Lieblingsprojekten des bundesrepublikanischen Establishments, das Deutschland vor 1945 in allen Schattierungen zu diffamieren. Dazu gehört es auch, den vor diesem Datum geleisteten militärischen Widerstand gegen die letztlichen Siegermächte als angeblich ‚verbrecherisch‘ zu kennzeichnen.

Zu diesem Zweck läßt sich denn auch behaupten, die deutsche Armee habe an allem kritiklos mitgewirkt, was der NS-Staat während seines Krieges gegen die Sowjetunion so angeordnet und getan habe. Das ist zwar Unsinn, wurde aber doch behauptet. Zum offenkundigen Zweck, gegen das gesamte damalige deutsche Bürgertum politisch zu agitieren, und gegen dessen heutige Repräsentanten gleich mit.

Das wird hier gesagt, weil die gesamte ‚Wehrmachtsdebatte‘ nicht von diesem politischen Hintergrund zu trennen ist. Und insofern keine reine Fachdebatte gewesen ist. Was sich zum Beispiel an der Falschbeschuldigung der 707. Infanteriedivision zeigt, die ich nachweisen konnte.

Lassen wir trotzdem oder gerade deswegen Fakten sprechen.

Aus dem Buch:

Es geht in dieser Abhandlung nicht um persönliche Angriffe auf die Ausstellungsleitung, eine Analyse ihrer möglicherweise milieuspezifisch gezogenen intellektuellen Grenzen und auch nicht um eine Neuauflage der ausgiebig geführten Fälschungsdiskussionen. Es geht um eine Kritik des Konzepts. Denn Jan Philipp Reemtsmas neue Ausstellungsvariante nähert sich ihrem Gegenstand weiterhin polemisch. Das beginnt bei ihrem Titel, der wahrscheinlich mehr als alles andere dazu beigetragen hat, eine öffentliche Kontroverse zu provozieren. Unter der Aufgabenstellung, eine Überschrift zu finden, die alles insinuiert und nichts direkt behauptet, muß diese Formulierung als brillant bezeichnet werden. Dieser Effekt ist durchaus gewollt, Reemtsma hat ihn selbst folgendermaßen skizziert:

„… ‚Verbrechen der Wehrmacht‘ sind von der Formulierung her potentielle Verbrechen des Jedermann, Verbrecher (sic) von jedermanns Vater, Bruder, Onkel, Großvater.“[1]

In diesem Rahmen läßt sich frei hin und her schwenken zwischen einer Verurteilung aller, wie schon der sprachliche Lapsus zeigt, der „jedermanns Vater, Bruder, Onkel, Großvater“ unversehens zum „Verbrecher“ werden läßt und der gleichzeitigen Behauptung, man verurteile nicht pauschal, denn es handelt sich ja um „potentielle Verbrechen“. Es ist eine beliebig interpretierbare Formulierung, mithin das Gegenteil einer wissenschaftlichen These. So hat auch die neue Ausstellung an ihr nicht nur festgehalten, sondern sie gar zum Haupttitel gemacht. Hieß es in der ersten Ausstellung noch „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“, so hat die Reihenfolge nun gewechselt zu: „Verbrechen der Wehrmacht – Dimensionen des Vernichtungskriegs.“

Dies geschah trotz vereinzelter Vorschläge, man könne doch auch von „Verbrechen in der Wehrmacht“ sprechen und somit präzise und ohne Provokation das bezeichnen, was gemeint sei. So nicht mit Jan Philipp Reemtsma. „Verbrechen der Wehrmacht“, so sagt er, das heiße doch nichts anderes als „Fehler der Post“ und niemand behaupte doch, die Post und ihre Mitarbeiter seien als ganzes oder alle fehlerhaft, wenn er sage, sie machten einzelne Fehler. Er hat Recht. Diese Deutungsmöglichkeit besteht. Aber der Anspruch der Ausstellung, der alten genau so gut wie der neuen, ist ja ein anderer: Sie soll in den ausgewählten „sechs Dimensionen des Vernichtungskriegs … die teils aktive, teils passive Mitwirkung der Wehrmacht an den verübten Kriegsverbrechen“ zeigen.[2]

Also geht es nicht um einzelne Ereignisse, die nichts über eine größere Organisation aussagen (Fehler der Post), sondern es geht gerade umgekehrt um eine Aussage über die Gesamtorganisation, die durch die ausgewählten Beispiele nur illustriert werden soll. Nicht einzelne Soldaten oder Einheiten sollen für konkret festgestellte und belegbare Verbrechen verantwortlich sein, wie es im Gegenbeispiel der Postbeamte für seine Fehler wäre, sondern „die Wehrmacht“ selbst, die – um die Ausstellungsthese in diesem Sinn abzuwandeln –  „an der Planung und Durchführung einer beispiellosen Fehlerproduktion umfassend beteiligt war“


[1] Jan Philipp Reemtsma während der Bremer Fachtagung zur ersten Ausstellung am 26. Februar 1997, zit. n. Thiele, Wehrmachtsausstellung, S. 61.

[2] Zit. n. Katalog, S. 13.