Die Russische Verschwörung – 1914

Es war schon die Mitternacht des 31. Juli 1914, als Wilhelm II. erstmals den Stopp der russischen Mobilmachung verlangte. Als dies verweigert wurde, erklärte Deutschland immer noch nicht den Krieg an Russland, sondern verhängte den Zustand der drohenden Kriegsgefahr.

Prompt wurde dennoch Deutschland dafür angeklagt, den Krieg erklärt und begonnen zu haben und von denen, die diese freie Erfindung in aller Unschuld für die Wahrheit hielten, moralisch für alles verantwortlich gemacht, was folgte. Aber die moralische Verantwortung lag bei Sasonow, Nikolaus II., Großherzog Nikolaus und Raymond Poincaré. Ihre Schuld ist nun völlig klar und kein halbwegs informierter Mensch kann sie mehr ableugnen. Der Beweis ist vollkommen und liegt gedruckt vor, verfasst in vielen Sprachen und von den größten Autoritäten.“

Senator Robert Owen

Das vorliegende Buch ist sowohl eine Neuauflage, des vor hundert Jahren Ende 1923 dem US-amerikanischen Kongress vorgelegten Berichtes von Senator Robert Owen über die „kaiserlich-russische Verschwörung“ zum Krieg von 1914. Seine Analyse ist stringent, zeitlos und in vieler Hinsicht bis heute gültig. Zum anderen ist es eine Einordnung von Stefan Scheil über die seitherigen öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten, die Lücken im gegenwärtigen Forschungsstand und über den Verschwörungsbegriff insgesamt. Gab es 1914 eine Verschwörung, die sich sinnvoll als eine solche bezeichnen lässt?

Das auftretende Personal spricht in jedem Fall dafür. Hier gab es keine Zufallskommandierungen oder bürgerliche Außenseiter, die mit dem politischen Zentralgeschäft ansonsten nichts zu tun gehabt hätten. Es traten an den entscheidenden Tagen des Sommers 1914 die politisch sehr bewusst agierenden Personen auf, also die unmittelbar politisch Verantwortlichen. Allen voran galt das für das Staatsoberhaupt Russlands, der Zar Nikolaus II., und das Staatsoberhaupt der Republik Frankreich, Francois Poincaré. Es traten im Weiteren deren jeweilige Regierungschefs auf, die Außenminister, sowie die gegenseitig entsandten Botschafter in St. Petersburg und Paris, die notwendigerweise an den Vorbereitungen beteiligten Militärs und als Randzeugen einige Personen aus der adligen Gesellschaft.

Das war insgesamt eine recht geschlossene Gesellschaft, die in den fraglichen Tagen und den Vorjahren entscheidende Dinge beriet und entschied, über deren Inhalt und Grundlagen sie wenig bis nichts nach außen dringen ließ. … Wir konzentrieren uns hier auf diese russisch-französische Personengruppe als eine zusammenwirkende Einheit, weil sie mit der russischen Mobilmachung, deren Vorbesprechung und den nachfolgend verdeckten Maßnahmen in Frankreich und Russland zeitlich gesehen die militärische Ereigniskette in Gang setzte. Letztlich lautet das Fazit:

Der Erste Weltkrieg ist im Juli und August 1914 ausgebrochen, weil die französische und die russische Regierung auf ihrer Konferenz in St. Petersburg vom 20.-23. Juli 1914 beschlossen haben, ‚diesmal gibt es Krieg‘. Weil eine einzigartige strategische Gelegenheit genutzt werden sollte und weil auch politisch alles so gut vorbereitet war, wie es nur sein konnte.“